Die in den Foren geäußerten Meinungen sind sehr vielfältig:
„..vielleicht kommt ja etwas in Bewegung?“
„…abgeschlossene Tarifverträge werden ja sowieso in der Praxis unterlaufen.“
„…für mich als Glasreiniger ist es in den letzten 30 Jahren immer schlechter geworden.“
Aus meiner Sicht kann die Tarifvereinbarung Ungerechtigkeiten und Perspektivlosigkeit nicht wirklich lösen. Die Branche hat Probleme, die tiefer sitzen und weder von der Innung noch von der Gewerkschaft – unseren beiden Vertragspartnern – angegangen werden.
Ein paar Beobachtungen, die ich in den vielen Jahre gemacht habe:
In Berlin werden jährlich 180 Gebäudereiniger ausgebildet. Ist das Fachkräftemangel? Doch wo bleiben die Junggesellen? Sie werden zum großen Teil vom Ausbildungs-betrieb entlassen, finden keinen Job in der Glasreinigung und wollen verständlicher-weise keinen Teilzeitvertrag in der Unterhaltsreinigung annehmen. Da die Branche ihnen keine Perspektive bietet, satteln sie um oder schlagen sich als 1-Mann-Glasreinigerbetrieb durch.
Große Firmen stellen viele Azubis ein und ernten dafür Lob von allen Seiten. Doch viele Azubis werden gezielt und intensiv in der Glasreinigung eingesetzt, wodurch aus meiner Sicht die Tarife unterwandert werden. Ist die Ausbildung abgeschossen werden die neuen Billigkräfte = Azubis eingestellt. Dieser Vorgang steht dann nicht mehr in der Zeitung. Eine Statistik hierüber gibt es nicht.
Finanziell interessant für die Gesellen ist in der Gebäudereinigung eigentlich nur die Arbeit in der Glasreinigung. Doch meist werden nur 1-Jahres-Verträge abgeschlossen oder die Kündigung erfolgt kurz vor Weihnachten. Neuer Arbeitsvertrag beim neuen Arbeitgeber im März; das geht so lange, bis man zu alt für den Markt ist. Und dann?
Auch ich arbeite mit Subunternehmern. Doch das System wird nicht selten genutzt, um Tarife zu unterwandern! Generalunternehmer geben Aufträge mit 65% an Subs ab – und die freuen sich, dass Sie einen großen Auftrag annehmen. Eine genaue Nachkalkulation würde hier so manchem die Augen öffnen.
Lohnpauschalen sind nicht immer nur zum Vorteil der Mitarbeiter, auch hier wird der Tarif zum Teil ausgehebelt. Klare Leistungsvorgabe, definiertes Zeitfenster – und was, wenn die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter nicht fertig wird?
Als ungerecht empfinde ich die Ost-West-Tarifregelung. Dies spüren wir insbesondere in Berlin, wo die Firmen aus dem Speckgürtel mit ihren günstigeren Tarifen einfallen und entsprechend günstiger anbieten können. Klar, dass sie eigentlich den Westtarif bezahlen müssten….
Die Liste kann von vielen, die in der Branche sind und mit offenen Augen durch die Welt gehen, problemlos deutlich erweitert werden. Vertrauen auf die offiziellen Vertreter habe ich – ehrlich gesagt – nicht!
Ich freue mich auf Ihre Rückmeldungen! Karl Wachenfeld
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